LG Berlin zur Haftung für Userpostings

Zugestanden: Die Haftung des Betreibers eines Meinungsforums für rechtswidrige Userpostings ist keine wirklich neue Thematik. Das Problem ist seit Langem bekannt und schon Vieles wurde darüber gesagt und geschrieben. Auch meine Meinung ist an anderer Stelle bereits veröffentlicht (MMR 2006, 744; jurisPR-ITR 15/2008 Anm. 4, CR 2009, 106-107). Ich brauche daher nicht ins Grundsätzliche zu gehen. Statdessen will ich lediglich einen 522er-Hinweis der in Medienangelegenheiten eher strengen 27. Zivilkammer der Landgerichts Berlin präsentieren (LG Berlin, Beschluss vom 11. August 2009 (pdf)), der meine eigene Meinung ganz gut zusammenfasst. Mein JBB-Kollege Thomas Nuthmann hat das Verfahren für ein Online-Telekommunikationsmagazin geführt, in der ersten Instanz gewonnen und auch den hiesigen Beschluss erwirkt. Danach gilt Folgendes:

  1. Es gibt keine Vorabprüfungspflicht für Userpostings!
  2. Der pauschale Hinweis auf angeblich rechtswidrige Inhalte im Forum durch den Betroffenen reicht nicht aus. Es bedarf einer spezifischen Inkenntnissetzung in Bezug auf einen konkreten Inhalt, die dem Forumsbetreiber zudem eine eigene Rechtmäßigkeitsüberprüfung ermöglicht.
  3. Wenn eine wirksame Inkenntnissetzung vorliegt, haftet der Forumsbetreiber nicht, wenn er das Posting unverzüglich löscht. Erst wenn er dies nicht tut, haftet er auf Unterlassung und hat in der Folge dem Verletzten auch Kosten (“Abmahngebühren”) zu erstatten.

Für nach einer wirksamen Inkenntnissetzung gepostete Folgeverstöße mag man vielleicht strengere Maßstäbe anlegen. Aber für Erstverstöße kann man eigentlich keiner anderen Meinung sein. So langsam scheint sich also auch bei den wesentlichen landgerichtlichen Pressekammern die Erkenntnis durchzusetzen, dass es keine reflexartige Haftung für Drittinhalte gibt und der Humbug aus Hamburg über die angeblich “besonders gefährliche Einrichtung (pdf)” Internetforum vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BGH und der grundgesetzlich garantierten Meinungsfreiheit nicht haltbar ist.

Gut so.

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5 Comments

  1. Posted 21. August 2009 at 13:59 | Permalink

    Das Problem für die meisten gefährdeten Blog-/Forenbetreiber sind doch immer die mit einem solchen Fall einhergehenden Kosten. Angenommen ich werde abgemahnt und der von mir beauftragte RA schmettert die Abmahnung erfolgreich ab, wer trägt diese Kosten?

  2. Posted 21. August 2009 at 14:31 | Permalink

    @Foxxi: Auf diesen Kosten wird der in einem Forumsfall zu Unrecht Abgemahnte wohl leider sitzen bleiben. Dies gilt zumindest dann, wenn der eigene Anwalt lediglich (passiv) den Anspruch abwehrt. Mitunter können (aktive) Gegegnmaßnahmen ergriffen werden, für die der Abmahner u. Ust. die Kosten zu tragen hat, also: Gegenabmahnung oder negative Feststellungsklage in Frage (siehe dazu übrigens hier http://www.feldblog.de/?p=38). Nur: Nicht in jedem “normalen” Abmahnungsfall ist eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung zu erblicken, die eine Gegenabmahnung und eine Kostentragungspflicht rechtgfertigt. Und der negativen Feststellungsklage kann der Abmahner regelmäßig dadurch entgehen, dass er von seinen Ansprüchen Abstand nimmt. Der Einwand von Foxxi ist also berechtigt.

  3. Posted 21. August 2009 at 15:30 | Permalink

    Der Abgemahnte kann vorgerichtlich (außergerichtlich) ohne Anwalt tätig werden. Dann braucht er auch keine Kosten zu tragen in diesem asymmetrischen außergerichtlichen Abmahnrechtssystem.

  4. Posted 21. August 2009 at 16:22 | Permalink

    Wie ist ‘unverzüglich’ definiert? Als Laie kann ich möglicherweise nicht einschätzen ob die Inkenntnissetzung gerechtfertigt ist oder nicht (sprich: der Inhalt tatsächlich rechtswidrig ist).

    Kann man auf deinem Posting als Daumenregel ablesen, dass man stressvermeidend am besten fährt, wenn man bei Inkenntnissetzung immer zuerst löscht und dann im Nachhinein untersucht ob der Inhalt wirklich rechtswidrig war und ihn ggf. wiederherstellt? Oder ist das zu verallgemeinernd?

  5. Posted 21. August 2009 at 18:43 | Permalink

    @Tim:

    Vorab: Schön, Dich auch hier zu sehen!

    “Unverzüglich” heißt “ohne schuldhaftes Zögern”, vgl. § 121 BGB. An dem oben präsentieren Beschluss kann man erkennen, dass das schon mal ganz schöne lange sein kann. Andererseits hat das LG Hamburg im Falle Niggemeier die Zeit zwischen dem Aufstehen und nach dem Frühstück am Samstagmorgen als nicht mehr unverzüglich angesehen (aber die hätten sich schon noch etwas anderes einfallen lassen, um eine Haftung anzunehmen, selbst wenn Niggemeier mitten in der Nacht aufgestanden wäre, um sein Blog zu kontrollieren). In meinen Augen heißt unverzüglich sofort nachdem man die Rechtsverletzung bemerkt hat. Wenn man in dem Moment gerade Wichtigeres zu tun hat, z.B. sein Kind vor dem Ertrinken in der Badewanne retten muss, zögert man zwar, aber man zögert nicht schuldhaft. Es muss hat angemessen schnell unter Beachtung etwaiger Besonderheiten der Situation reagiert werden.

    Stressvermindernd ist es durchaus, wenn man zunächst einmal das Posting entfernt, selbst wenn man meint, dass man keine Rechte Dritter verletzt. Das empfiehlt sich sogar, weil man ja nach Erhalt einer Inkenntnissetzung oder gar Abmahnung erst einmal eingeschüchtert, beleidigt oder anderweitig emotionalisiert ist (“Unverschämtheit”!) und man vielleicht deswegen keinen klaren Blick auf die Dinge hat. Dann sollte man in aller Ruhe prüfen und – tatääh – jemanden fragen, der sich damit auskennt. Wenn man danach überzeugt ist, dass alles seine Ordnung hat, kann man den Kommentar ja wieder einstellen. Nur: Dann – erstens – belegt man nach außen, dass man sichere Kenntnis von dem Posting erlangt hat (das muss normalerweise der Abmahner beweisen, was mitunter eine echte Hürde sein kann), und – zweitens – haftet man garantiert, wenn das Posting rechtswidrig sein sollte.

3 Trackbacks

  1. [...] Kollege Thorsten Feldmann meldet, dass auch die Pressekammer Landgericht Berlin zur Frage der Haftung für Beiträge Dritter der [...]

  2. By blogomatic.de on 21. August 2009 at 16:59

    Von der Haftung von Blog- und Forenbetreibern für Kommentare und Postings…

    Kurzbeitrag: hier ein paar Basis-Infos für Blog- und Forenbetreiber bzgl. Kommentaren und Postings (via lawblog und feldblog).
    ……

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